September 2010 - Reflection Canyon
In National Geographic vom April 2006 erschien in dem Artikel „Glen Canyon Revealed“ ein Bild des Reflection Canyon, eines Seitencanyon des Lake Powell. Das Bild von Michael Melford faszinierte nicht nur viele andere Fotografen, sondern es begann auch gleich die Suche nach dem Standort der Aufnahme. Schon bald konnte man im Internet die vermutlichen (aber sehr genau zutreffenden) Koordinaten des Aufnahmestandortes finden. Das Problem war allerdings, dass eine längere Bootsfahrt notwendig wäre, um zum Reflection Canyon zu gelangen. Und dann wäre da noch die Ungewissheit, ob man vom Lake Powell aus an den steilen Sandsteinwänden auch einen Weg nach Oben finden würde, um den richtigen Fotostandort zu erreichen.
Mit dem Boot oder zu Fuss?
Um mit dem Boot zu dem Fotostandort zu gelangen würde man mindestens für 2 Tage, wenn nicht länger, ein schnelles Motorboot mieten müssen – das würde ziemlich teuer werden. Ich sah mir daher die Lage des Fotostandortes auf der Karte an, und kam zu dem Schluss, dass man von der Hole-in-the-Rock Road aus dort hinwandern könnte. Die Hole-in-the-Rock Road ist eine etwa 55 Meilen lange Piste, die etwas nördlich von Escalante beginnt und quer von West nach Ost durch das Grand Staircase-Escalante National Monument zum Lake Powell führt. Der Endpunkt der Piste liegt in der Glen Canyon National Recreation Area, die sozusagen den Lake Powell umrahmt.
Hole-in-the-Rock Road
Die Hole-in-the-Rock Road wurde 1880 von Mormonen erbaut, um von Escalante aus den Südosten des Territoriums zu kolonisieren. Man glaubte in 6 Wochen das Ziel jenseits des Colorado, beim heutigen Ort Bluff (Utah) erreichen zu können - die Reise sollte aber 6 Monate dauern. Ende November 1879 machten sich 250 Männer, Frauen und Kinder mit 80 Planwagen und 1000 Stück Vieh auf den Weg durch ein unwirtliches, nahezu unpassierbares Gelände. Sie brauchten 2 Wochen bis zur Schlucht des Colorado River. Sechs Wochen arbeiteten die Männer an einem Weg über die Sandstein-Klippen hinab zum Fluss. Mit Dynamit und Meißeln wurde ein Pfad entlang einer steilen Felsspalte angelegt, genannt Hole-in-the-Rock. Riesige Felsblöcke wurden bewegt und die Felsspalte verbreitert, damit die Planwagen hindurch konnten. Mit Seilen gesichert wurden die Wagen hinab gelassen und auf Flössen über den Colorado gebracht. Weitere 10 Wochen dauerte dann bei winterlichen Bedingungen die anstrengende Fahrt noch bis Bluff. Eine in den roten Sandstein eingebettete Gedenktafel erinnert heute noch an diese Pioniertat.
Die Planung der Wanderung
Beim Suchen einer Route von der Hole-in-the-Rock Road zum Reflection Canyon war mir schnell klar, dass der Trailhead zum Llewellyn Gulch wohl der geeignete Startpunkt für solch eine Wanderung wäre. Mit Hilfe von Google Earth und DeLorme stellte ich mir die Waypoints für meine GPS-Route derart zusammen, dass ich möglichst immer auf gleicher Höhe bleiben konnte, und nicht immer wieder durch Washes und Canyons laufen müsste. Die einfache Entfernung meiner geplanten Wanderung ergab etwa 14 km, aber das in unwegsamen Gelände, mit einigen Canyons die zu queren oder zu umgehen wären.
Hier können die Waypoints (.gpx) meines geplanten Hikes runtergeladen werden.
Das Höhenprofil meiner Tour zeigt, dass keine gewaltigen Höhenunterschiede zu bewältigen wären, aber es geht doch ständig auf und ab. Nur am Ende, bevor man zum Lake Powell gelangt, muss man etwa 100 m Höhenunterschied zum Fotostandort ab- bzw. beim Rückweg wieder aufsteigen. Meine Recherchen im Internet ergaben keinerlei Hinweise, dass es schon mal jemand versucht hätte, zu Fuß zu dem Standort des Fotos vom Reflection Canyon zu kommen – es wäre also eine Erstbegehung.
Raue Piste zum Trailhead
Im September 2010 war es dann soweit. Obwohl kräftige Gewitterstürme in den letzten Tagen die Piste erheblich beschädigt hatten, hatte ich mit dem Jeep Liberty das richtige Fahrzeug, um problemlos bis zum Trailhead zu gelangen. Bei Meile 30, in der Nähe von Red Well, war die Piste teilweise weggespült worden, und für die Umfahrung war unbedingt ein 4WD notwendig.
Ich hatte vom BLM in Escalante ein kostenloses Permit geholt, um am Trailhead übernachten zu können. So richtig klar war den Rangern aber nicht, wo ich hin wollte, denn anscheinend hatte vor mir noch niemand diese Route ausprobiert. Allerdings hingen beim BLM ein paar Fotos aus, die zeigten, wie schwer die Hole-in-the-Rock Road beschädigt war. Diese Warnungen verunsicherten mich zuerst, aber bei einem Jeep-Verleiher wurde mir überzeugend gesagt, dass für meinen Jeep Liberty die Piste kein Problem sein sollte. So war es dann auch.
Die erste Nacht verbrachte ich aber am Ende der Hole-in-the-Rock Road, oberhalb des Lake Powell, denn mit dem Jeep waren auch die letzten sehr felsigen und rauen 5 Meilen kein Problem. Bei früheren Versuchen mit SUVs das Ende der Hole-in-the-Rock Road zu erreichen, bin ich zweimal gescheitert und umgekehrt. Beim ersten Mal ließ ich es mir aber nicht nehmen, die letzten 5 Meilen zu Fuß zum Hole-in-the-Rock zu laufen. Ich kannte also schon den Ort, wollte dort aber gerne mal bei Sonnenuntergang fotografieren und dort übernachten.
Obwohl ich diesen Ausblick schon kannte, war ich doch wieder fasziniert. Der Blick vom Alstrom Point ist landschaftlich wohl eindrucksvoller, aber hier beim Hole-in-the-Rock spürt man eher die Weite und Abgeschiedenheit der Gegend - letztendlich das, was ich in den USA oft suche und finde.
Am späten Nachmittag kam noch eine Familie mit ihrem Boot an und stieg vom Lake Powell den steilen Weg rauf zu den Sandsteinfelsen die hoch über den See ragen. Als die Familie wieder gegangen war, war ich alleine an dem historischen Ort.
Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne konnte ich ganz für mich alleine mit einem herrlichen Ausblick geniessen.
Es geht los
Am nächsten Morgen fuhr ich wieder ein paar Meilen zurück, bis zum Trailhead des Llewellyn Gulch, gleich unterhalb der Klippen des Fiftymile Points. Es war wieder ein sonniger und auch heißer Tag, der Temperaturen über 30 Grad bringen würde. Gegen 10 Uhr startete ich mit Fotorucksack und 6 Litern Wasser meine Wanderung.
Ich folgte meinen Waypoints und konnte auch wie geplant vermeiden durch tiefe Washes oder Canyons zu laufen. Auch den Llewellyn Gulch umging ich, indem ich bis dicht an die Klippe ran lief, wo der Canyon als sandiger Wash beginnt. Ich trank regelmäßig Wasser, machte kurze Pausen und folgte ansonsten gemächlich meiner Route. Unterwegs sah ich ein paar Arches - vielleicht waren sie noch unentdeckt?
Schon bald merkte ich aber auch, dass ich die Strecke nicht wie erhofft in ca. 3 Stunden schaffen würde. Mal ging ich auf Slickrock, aber oft auch durch sandiges Gebiet mit dem typischen niedrigen Bewuchs (sage brush), der ständig an meinen Beinen kratzte. Aber es war mir zu warm, um die Hosenbeine anzuzippen - es hätte aber auch nichts mehr gebracht, denn die Unterschenkel waren schon total zerkratzt. Letztendlich brauchte ich mehr als 4 Stunden bis ich schließlich oberhalb des Reflection Canyon ankam.
Hoher Wasserstand im Lake Powell
Zuerst war ich enttäuscht, denn der Blick entsprach so gar nicht dem, was ich mir erhofft hatte, bzw. dem was ich auf dem Foto im National Geographic gesehen hatte. Der Wasserstand des Lake Powell war deutlich höher als im Jahr 2006, als das Foto gemacht wurde. Dadurch war der S-förmige Verlauf des Canyons nicht so schön ausgeprägt, weil die Sandsteinfelsen zu tief im Wasser waren und nur als kleine Inseln rausschauten.
Schade, aber daran hatte ich nicht gedacht. Ich machte ein paar Fotos und versuchte auch an der recht steil zum Wasser abfallenden Felswand andere Standorte zu erreichen. Aber das war nicht ganz ungefährlich, auch wenn man beim Abrutschen letztendlich im Wasser landen würde. Bei einem dieser Ausflüge entlang der Felswand verlor ich die Orientierung und wußte plötzlich nicht mehr, wo ich gestartet war, bzw. wo ich meinen Fotorucksack zurück gelassen hatte. Mühsam suchte ich einen Weg nach Oben, von wo ich dann meinen Fotorucksack entdeckte und wieder zu ihm abstieg.
Immer wieder mal fuhren ein paar Boote durch den Canyon. Es ist ein seltsames Gefühl, wenn man die Boote sieht, die auf recht einfache Weise - wenn auch mit langer Anfahrt - zum Canyon kommen, während ich eine strapaziöse Wanderung durch ein absolut abgeschiedenes Gebiet unternommen hatte.
Trotz einer gewissen Enttäuschung über den hohen Wasserstand des Lake Powell, der nicht das geplante Foto zuließ, war ich doch zufrieden. Ich hatte die Wanderung gemacht und wusste nun, dass meine Überlegung und Planung richtig war - man kann den Fotostandort gut zu Fuß erreichen. Ich werde eben bei besserer Gelegenheit noch einmal wieder kommen.
Ich wollte auch etwas essen, denn bisher hatte ich nur Wasser getrunken, aber die Mischung aus Nüssen, Rosinen und Schokokugeln war zu einer unappetitlichen Masse verschmolzen - ich verzichtete.
Ein mühsamer Rückweg
Nach etwa einer Stunde, so gegen 15:00 Uhr, machte ich mich auf den Rückweg. Um 19:30 geht die Sonne unter, und etwa eine halbe Stunde später wäre es dunkel, also hatte ich etwa 5 Stunden Zeit für den Rückweg zum Wagen. Ich wäre gerne noch länger geblieben, um vielleicht noch besseres Spätnachmittagslicht zu bekommen, aber die 4 Stunden für den Hinweg hatten mich doch etwas unruhig gemacht. Und der Rückweg würde sicher nicht leichter und schneller gehen.
Schon bald merkte ich, dass ich langsamer vorwärts kam als gedacht. Ich war doch ziemlich geschafft und brauchte öfter eine Pause als auf dem Hinweg. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass es doch viel öfter auf und ab ging als ich es am Hinweg wahrgenommen hatte, als ich noch frischer war. Das ewige auf und ab beim Durchqueren der kleinen Canyons oder großen Washes zehrte an den Kräften, und meine Ruhepausen wurden immer länger. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich schon einmal bei einer Wanderung so fix und fertig war. Ich versuchte auch abzukürzen, und durchquerte tiefere Washes, was mich dann aber beim Ausstieg aus dem Wash entsprechend schlauchte.
Die Zeit zwischen den Pausen wurde immer kürzer und ich machte mir erstmals Gedanken, was ich tun würde, wenn ich es nicht vor Einbruch der Dunkelheit zum Wagen schaffe. Zum Glück hatte ich alles dabei, um eine Nacht im Freien verbringen zu können. Ich hatte einen leichten Biwaksack dabei, noch ca. 2 Liter Wasser, und auch etwas zu essen. Als ich gegen 19:00 Uhr noch nicht einmal beim Llewellyn Gulch war, wurde mir klar, dass ich es nicht mehr vor Einbruch der Dunkelheit schaffen würde. Diese Erkenntnis führte dazu, dass meine Pausen noch häufiger und länger wurden, aber ich ging auch immer wieder weiter.
Ich war fix und fertig, und jedes Mal wenn ich aus einem Wash stieg, musste ich wieder eine Pause machen und überlegte, ob ich nicht einfach über Nacht bleiben sollte. Aber der Gedanke, dass ich zwar Wasser hatte, das aber mittlerweile sicher auch über 30 Grad warm war, während mein Wagen mit hoffentlich noch kühlem Bier im Cooler nur noch wenige Meilen entfernt war, spornte mich an weiterzumachen. Zum Glück stieg ein dreiviertel voller Mond am Horizont hoch, und spendete mir genug Licht, dass ich meinen Weg gut sehen konnte. Nur wenn es durch einen tieferen Wash ging schaltete ich meine Stirnlampe ein, damit ich nicht etwa noch durch Unachtsamkeit stürzen würde.
Als ich mich schon fast bis zum Wagen geschleppt hatte, bekam ich zum Schluss noch einen kleinen Schreck. Mein GPS funktionierte plötzlich nicht mehr! Zum Glück erst bei den letzten Waypoints. Der Richtungspfeil blieb konstant stehen und auch die Entfernungsangabe änderte sich nicht. Ausschalten konnte ich das GPS auch nicht. Das war zum Glück bei den letzten Waypoints nicht so dramatisch, denn ich musste nur die Hole-in-the-Rock Road finden, und das war 500 m vor dem Ziel kein Problem mehr. Ich schaltete das GPS aus, indem ich die Batterien raus nahm, aber beim erneuten Einschalten funktionierte das GPS immer noch nicht. Am nächsten Morgen half dann komischerweise dieselbe Prozedur, und das GPS funktionierte wieder.
Es war schon nach 21:00 Uhr, als ich total erschöpft auf die Hole-in-the-Rock Road traf, und in einiger Entfernung meinen Wagen sah, in dessen Scheiben sich der Mondschein spiegelte. Ich hatte es doch noch geschafft, und meine Hoffnung bewahrheitete sich: Im Cooler war zwar nur noch Wasser, aber das Bier hatte eine herrliche Trinktemperatur – auch das zweite und dritte noch. Dann legte ich mich ohne mich zu waschen oder umzuziehen zum schlafen.
Eine Lehre für die Zukunft
Erst später wurde mir klar, dass es wohl mein größter Fehler war, dass ich nichts gegessen hatte. Ich hatte auf meiner Wanderung etwa 5 Liter Wasser getrunken, und damit auch Mineralien und Elektrolyte ausgespült bzw. ausgeschwitzt. Dieser Mangel hat letztendlich zu dem Schwächeanfall geführt, der es mir so schwer machte, die an und für sich machbare Strecke in einer vernünftigen Zeit zu bewältigen.
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