Mai 2011 - Fly Geyser
Eigentlich wollte ich in den Nordwesten, und dort war ich auch einige Zeit unterwegs, aber das ständige schlechte und kalte Wetter hatte mich zermürbt. Ich beschloss, weiter in südliche Richtung zu fahren, in der Hoffnung auf besseres Wetter.
Noch vor meinem Abflug in die USA hatte ich von den Friends of Black Rock die Information erhalten, dass sie am Memorial Day Wochenende mehrere 2-stündige Touren zum Fly Geyser anbieten würden. Der Preis für solch eine Tour war zwar mit 75 US$ (25 US$ Mitgliedsbeitrag, 50 US$ für die Tour) abschreckend hoch, aber wenn ich jetzt nach Süden fahren würde, könnte ich praktisch termingerecht in Gerlach zur Tour eintreffen. Also checkte ich den Wetterbericht für Nordnevada, und der sagte für das Memorial Day Wochenende voraus: heiter und leicht bewölkt. Also buchte ich kurzentschlossen die Tour am Samstag von 18:00 bis 20:00 Uhr, in der Erwartung, dann das optimale warme Licht vom Spätnachmittag zu haben. Die Tour zur gleichen Zeit am Sonntag erschien gar nicht mehr im Kalender – ich vermutete, dass sie schon ausgebucht war, denn pro Tour wurden maximal 20 Personen zugelassen. Am nächsten Tag erhielt ich aber eine Mail von den Friends of Black Rock, die aufklärte, dass am Sonntag zwei Touren mangels Beteiligung (nur eine Anmeldung) gestrichen wurden. Aha, so stark gefragt waren die Touren wohl doch nicht.
Ich trieb mich zwei Tage zwischen Lake Tahoe und Mono Lake rum, um dann am Samstag nach Gerlach zu fahren. Am Morgen beim Start in Carson City war noch weitgehend Sonnenschein, aber mit jeder Meile, die ich in nördliche Richtung nach Gerlach fuhr, zog sich die Wolkendecke immer weiter zu, und es begann teilweise auch leicht zu regnen. So ein Mist - aber es war erst etwa 16:00 Uhr und ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Sonne noch eine Chance bekommt. In Gerlach, einem Ort mit immerhin 161 Einwohnern, reservierte ich gleich in Bruno‘s Motel ein Zimmer für die Nacht, denn bei den recht kühlen Temperaturen hatte ich keine Lust im Wagen zu schlafen und zu frieren.
Um 17:00 traf ich ca. 20 Meilen nördlich von Gerlach beim Gate der Fly Ranch ein, wo der Treffpunkt für die Tour zum Fly Geyser war. In einem alten Wohnmobil beim Gate saßen 4 Friends of Black Rock und warteten auf die Teilnehmer der letzten Tour des heutigen Tages – es sollten außer mir nur noch 2 weitere Teilnehmer kommen. Kurz nach mir erschien John, ein sehr gesprächiger Arzt aus Los Angeles, der nur wegen dieser Tour hergekommen war, und bald darauf Roland, wie ich ein Deutscher und aus München. Bei dem schlechten Wetter zeigte keiner so richtige Begeisterung die halbe Meile zum Geyser zu fahren, und so unterhielten wir uns intensiv über diese verlassene Gegend, in die aber zum Burning Man etwa 50 – 70 Tausend Menschen angereist kommen. Wir erfuhren auch, dass viele Leute gebucht hatten aber nicht erschienen sind. Meine Bedenken, dass alles ziemlich straff durchorganisiert ablaufen würde, waren absolut unbegründet. Aber leider war das Wetter schlecht und denkbar ungeeignet, um den Geyser zu fotografieren.
Irgendwann nach 18:00 Uhr brachen wir 3 auf und fuhren mit unseren Wagen zum Geyser. Dort waren noch 2 andere Leute am Fotografieren, aber auch zu fünft würden wir uns kaum gegenseitig stören. Das heiße Wasser, das aus vielen Öffnungen des Geyser sprudelte, war gegen den weiß-grauen Himmel überhaupt nicht zu erkennen, und nur recht unlustig machten wir 3 Neuankömmlinge uns auch ans fotografieren.
Ich versuchte ein paar Details zu fotografieren, denn der Geyser als Ganzes bot kein brauchbares Motiv. Als schon um 19:45 Uhr einer der Friends of Black Rock kam, um uns langsam zum Aufbruch zu bewegen, brauchte er keine große Überredungskunst – wir packten unsere Sachen zusammen und fuhren zurück zum Gate.
Der Arzt aus LA machte sich gleich auf den weiten Weg, denn er hatte im etwa 70 Meilen entfernten Fernley sein Zimmer gebucht. Roland und ich waren in Bruno’s Motel abgestiegen. Roland hatte auch noch die erste Tour am nächsten Morgen gebucht, aber ich würde auch wieder herfahren, wenn das Wetter etwas besser wäre. Wie gesagt, es wurde alles nicht so streng gesehen, und zumindest eine Tour hatten wir ja gebucht.
Im Bruno’s Saloon tranken Roland und ich noch 2 Bier, bevor wir uns zurückzogen. Der Saloon war brechend voll, da an diesem Wochenende ja auch ein großes Treffen der Friends of Black Rock angesagt war – allerdings campten die meisten Besucher des Treffens wohl draußen in der Black Rock Desert.
Am nächsten Morgen wurde ich um 6:00 Uhr wach und sah aus dem kleinen Fenster, dass draußen Sonnenschein war. Ich fluchte, denn eigentlich hätte ich zum Sonnenaufgang beim Geyser sein wollen, aber das schlechte Wetter am Vorabend hatte mich nicht hoffen lassen, dass es Sonne geben würde. Trotzdem machte ich mich schnell fertig, um möglichst gleich zum Geyser zu fahren. Als ich aus meinem Zimmer kam war auch die Tür zu Rolands Zimmer offen. Ich sagte ihm, dass ich sofort zum Geyser fahren würde, denn wer weiß, wie lange es Sonne geben würde. Ich hatte keine Bedenken über den Zaun zu steigen, denn ab 8:00 Uhr sollte ja sowieso wieder geöffnet sein. Roland schloss sich mir an und wir fuhren die 20 Meilen zum Geyser. Wir parkten die Wagen vor dem Gate, kletterten über den Zaun und gingen flotten Schrittes die halbe Meile zum Geyser. Es kam wie ich befürchtet hatte – kaum waren wir beim Geyser, war die Wolkendecke wieder zugezogen, und das Licht war kaum besser als am Vorabend. Die Zeit reichte gerade mal, um ein Foto zu machen. So ein Mist! Wäre ich doch zum Sonnenaufgang hergekommen.
Wir gingen wieder zurück zum Gate, denn ein klein wenig unwohl fühlten wir uns, weil wir über den Zaun gestiegen waren. Mittlerweile waren ein paar andere Leute für die erste Tour eingetroffen, nur die Friends of Black Rock waren noch nicht da, um das Gate zu öffnen. Um 8:30 Uhr kam dann jemand und öffnete das Gate. Roland und ich hatten bei dem nun wieder stark bewölkten Himmel aber keine Lust mehr zum Geyser zu fahren. Roland hatte aber die gute Idee, bei dem nun geöffneten Gate den Zahlencode zu notieren bzw. abzufotografieren. Ich stellte mich als Sichtschutz davor, damit niemand unsere Aktion bemerkt. Nun hatten wir den Code, um vielleicht das Gate öffnen zu können, wenn wir noch einmal wieder kämen, und sich der Code inzwischen nicht geändert hätte. Der große Vorteil wäre, dass man mit dem Wagen zum Geyser fahren könnte, denn ein geparkter Wagen vor dem einsamen Gate wäre sehr verdächtig, so dass jeder Vorbeifahrende gleich annehmen müsste, dass jemand über den Zaun gestiegen ist.
Aber wer weiß, ob und wann wir den Code benutzen würden, denn das Wetter sah nicht nach Besserung aus. Roland und ich fuhren zurück nach Gerlach und genossen ein gutes Frühstück in Bruno’s Saloon. Es war wieder brechend voll. Dann verabschiedete ich mich von Roland, weil ich wieder nach Süden wollte, während er im Motel mit dem WiFi noch seine Emails checken wollte.
Ich fuhr einige hundert Meilen nach Süden, bis in Bishop, am östlichen Rand der Sierra gelegen, der Himmel aufklarte. Ich besuchte noch die Mountain Light Gallery von Galen Rowell, mit wunderbaren Fotos aus der Eastern Sierra, dann ging ich ins Motel und surfte im Internet. Der Wetterbericht sagte für die Eastern Sierra und den Norden von Nevada strahlenden Sonnenschein voraus. Etwas unruhig ging ich zu Bett, denn ich trug schon wieder den Gedanken, doch noch mal zurück in den Norden nach Gerlach zu fahren.
Am nächsten Morgen, dem Memorial Day Montag, war der Himmel wie blank geputzt und strahlend blau. Der Wetterbericht schien richtig zu liegen und ich beschloss nochmal zum Fly Geyser zu fahren. Das hieß, wieder einige hundert Meilen zurück nach Norden zu fahren, aber zeitlich sollte es gut machbar sein, dass ich am Nachmittag beim Geyser bin. Dann hätte ich bis zum Sonnenuntergang Zeit den Fly Geyser zu fotografieren, hoffentlich in Ruhe und ungestört, da ich ja die Zahlenkombination des Schlosses kannte.
Bis Reno hielt sich der strahlende Sonnenschein, aber über die Berge um Lake Tahoe schoben sich schon dicke Wolken. Wieder einmal war es aber so, je näher ich nach Gerlach kam, desto mehr zogen sich die Wolken zu und das Wetter wurde schlechter. Gegen 15:00 Uhr war ich beim Gate der Fly Ranch und probierte gleich aus, ob der Code für das Zahlenschloss funktioniert. Aber das Vorhängeschloss ging nicht auf. Jetzt war es aber egal, wenn ich schon soweit gefahren bin. Ich bin also wieder über den Zaun geklettert, weil ich hoffte doch noch etwas Sonnenschein zum Fotografieren zu haben. Ich fühlte mich nicht richtig „illegal“, weil ich ja am Wochenende 50 US$ für den (verregneten) Besuch beim Fly Geyser bezahlt hatte. Trotzdem fühlte ich mich nicht ganz wohl, weil wegen des Memorial Days relativ viel Verkehr auf der Straße war, und mein Wagen dort deutlich sichtbar vor dem Gate mit „Keep Out“ stand.
Ich fotografierte ein wenig, aber das Licht war nicht gut, und der Wind blies aus der falschen Richtung, so dass ich den Geysir nicht von der Schokoladenseite fotografieren konnte. Immer wieder schaute ich in Richtung Straße, wenn Autos vorbeifuhren – ganz wohl fühlte ich mich nicht. Dann plötzlich, nach ca. 1 Stunde sah ich, dass ein weißer Pickup Truck die Piste zum Geysir kam. Ich packte meine Sachen etwas zusammen und setzte mein unschuldigstes Gesicht auf. Der Wagen hielt neben mir an und ein älterer Mann fragte mich „Who gave you permission to get in here?“. Ich sagte ihm, dass ich am Wochenende 50 US$ bezahlt hätte, aber wegen des Regens nicht fotografieren konnte. Daher bin ich heute wieder hier hin, in der Hoffnung, dass ich etwas Sonnenschein hätte. Der Mann wurde recht freundlich und meinte nur, dass er meinen Wagen gesehen hätte und wissen wollte wer hier drin ist. Er war früher der Caretaker für diese Ranch. Ich fragte ihn, ob er etwa Bill Spoo sei. „Yes, that’s me“ kam seine prompte Antwort. Wir unterhielten uns noch einige Zeit über Deutschland, das Münchener Bier, seinen Sohn, der in Mannheim bei der Army war und jetzt in Alaska lebt, und natürlich über das Wetter. Er bot mir an das Tor aufzusperren, damit ich meinen Wagen reinfahren kann, aber ich fragte, wie ich denn wieder rauskommen sollte? „Ob ich denn den Code des Schlosses nicht bekommen hätte“, fragte er? Aber den hatte ich nicht, weil die Leute von den Friends of Black Rock Desert die beiden Tage in dem alten Camper neben dem Gate gesessen hatten. Er wünschte mir noch viel Glück mit dem Licht, und fuhr davon.
Eine Stunde später war ich durstig, und das Licht war auch sehr schlecht geworden. Also ging ich erst mal zum Wagen zurück. Am Gate probierte ich noch einmal den Code, und siehe da, plötzlich funktionierte er, und das Schloss ging auf. Man musste einige Kraft aufwenden, um das Vorhängeschloss zu öffnen, da war ich vorher wohl zu sanft gewesen. Also könnte ich nun, sogar mit Bill Spoo’s Erlaubnis, mit dem Wagen reinfahren. Aber ich wollte erst mal im Wagen abwarten, ob das Licht überhaupt noch mal besser wird, bevor ich mit dem Wagen zum Geyser fahren würde.
Fast 3 Stunden saß ich im Wagen, hörte Musik und schrieb ein paar Notizen in meinen Laptop, und immer wieder schaute ich prüfend gen Westen, ob die Sonne noch einmal eine Chance bekommen würde. Gegen 19:30 Uhr ergab sich dann am Horizont ein heller Spalt in den Wolken, und Hoffnung keimte auf, dass ich vielleicht doch noch gutes Fotolicht bekommen würde.
Ich sperrte das Gate auf und fuhr zum Geyser, damit ich vor Ort sofort reagieren könnte, wenn die Sonne doch noch durchkommt. Vorher war lange Zeit kein Auto mehr vorbei gekommen, aber genau in dem Moment als ich aufsperrte, kam ein Wagen vorbei. Aber es gab keine Reaktion oder Frage des Fahrers. Wer den Code des Vorhängeschlosses kennt, gilt als Berechtigter zum Zutritt, denn er muss den Code ja von jemandem bekommen haben, der die Vollmacht über die Zahlenkombination hat.
Obwohl die Sonne noch hinter den Wolken versteckt war, war das Licht nicht ganz schlecht, weil die Wasserfontänen des Geyser sich besser von dem im Osten aufklarenden Himmel abhoben. Dann, während ich fotografierte, brach plötzlich ein heller Sonnenstrahl durch den Spalt in den Wolken, und für ca. 15 Minuten wurde der Geyser in helles, warmes Abendlicht getaucht.
Wie ein Verrückter sprang ich rum, um die Zeit zu nutzen den Geyser aus verschiedenen Positionen zu fotografieren, wobei ich auch darauf achten musste, dass mein Schatten nicht mit im Bild erscheint. Zum Glück hatte sich der Ostwind etwas gelegt, so dass die beleuchtete „Schokoladenseite“ des Geyser nicht ständig in der Gischt der Wasserfontänen verschwand. Als der Zauber vorbei war und die Sonne hinter den Bergen verschwand, begriff ich erst so richtig, was für ein Glück ich hatte, dass die Sonne mir noch einmal so eine traumhafte Beleuchtung geboten hatte.
Ich blieb noch bis zum letzten Licht, um das sich ständig ändernde Farbenspiel zu fotografieren.
Mit klitschnassen Schuhen und Füssen stieg ich kurz vor Einbruch der Dunkelheit in den Wagen und fuhr nach Gerlach zurück, um mich noch einmal bei Bruno’s Motel einzuquartieren.
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